Schafft eine neue Genossenschaftsbewegung mehr Raum für Frauen im ländlichen Raum?
Frauen in ländlichen Regionen verfügen heutzutage über gute Zugänge zu Bildungsangeboten. Sie weisen ein großes Spektrum an Berufen und Lebenskonzepten auf und bewegen sich in einem wesentlich größeren Radius als ihre Mütter und Großmütter. Soziale und kulturelle Einrichtungen, die sie sich (oder ihre Mütter und Großmütter) häufig selbst geschaffen haben, machen das Leben auf dem Land attraktiver. Räumlich gesehen sind sie mobiler als früher. Sie müssen es auch sein, wenn sie an den Errungenschaften teilhaben wollen, die in den letzten Jahrzehnten von Frauen für Frauen erstritten wurden. Junge, zunehmend mehrfach qualifizierte Frauen in peripheren Regionen sehen dennoch für sich oft nur die Möglichkeit, in regionale Zentren abzuwandern.
Was macht den ländlichen Raum für Frauen so unwirtlich?
These 1: Die Repräsentation von Frauen in Führungspositionen in politischen Gremien und Vertretungen wie Kammern und Gebietskörperschaften ist schlecht. Selbst in Regionen mit einem vielfältigeren Beschäftigungsangebot und besserer Infrastruktur finden sie nur wenige Arbeitsplätze vor, die ihrer Ausbildung und ihren persönlichen Ressourcen entsprechen. Nach wie vor werden Männer für anspruchsvollere Positionen vorgezogen, weil sie die „Familienerhalter“ seien. Für Frauen gilt oft noch die Meinung, dass sie bloß „dazu verdienen“. Die ihre Interessen vertreten sollenden Männer vertreten ihre eigenen Interessen.
These 2: In patriarchalisch-hierarchisch organisierten Gesellschaften wird nach Anpassung, nach Bewahrung des Bestehenden belohnt. Abweichung, und das ist häufig Kreatives, Innovatives, wird mit Ausgrenzung geahndet. Es ist also riskant, als Frau im ländlichen Raum auf Veränderung, also auf Abweichung vom Bestehenden zu drängen.
These 3: Frauen warten häufig auf das Angebot zur Beteiligung, zur Mitarbeit. Dieses Angebot kommt nicht, weil es um Konkurrenz geht: Konkurrenz um die wenigen gut bezahlten Arbeitsplätze, Konkurrenz um Mandate in der politischen Vertretung.
Was tut not?
Frauen sind in ihren Lebenssituationen und –entscheidungen vom vielfältigen Wandel betroffen, der auf dem Land von statten geht: Umstrukturierungen in der ländlichen Wirtschaft und in der Landwirtschaft, Änderungen am Arbeitsmarkt durch die stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen, Änderungen der Geschlechterrollen, demografischer Wandel und Migrationsbewegungen. Ob sich dieser spür- und sichtbare Wandel eher im Sinne einer zunehmenden Geschlechtergerechtigkeit auswirkt oder neue Benachteiligungen hervorbringen wird, hängt nicht zuletzt vom „Handwerkszeug“ ab, über das Frauen verfügen können oder auf welche Ressourcen sie Zugriff haben. Wenn der Fokus beim Gerechtigkeitsbegriff auf der Teilhabegerechtigkeit liegt, so bedeutet dies, dass Menschen das Recht und die Pflicht zu aktiver und produktiver Teilhabe am Gesellschaftsleben haben und dass die Gesellschaft die Verpflichtung hat, dem/der einzelnen diese Teilhabe zu ermöglichen (Katharina Novy/Maria Katharina Moser: Feministisch-ethische Positionierung).
Dieser Gerechtigkeitsbegriff weist auf Rechte und Pflichten der Gemeinschaft ebenso wie des Individuums hin. Damit führt er weg von einem bloß konsumierenden Recht auf Versorgung hin zu einer gestaltenden aktiven Teilhabe. An etwas teilhaben, dass allein nicht geschaffen werden kann, sondern nur durch Kooperation gelingt. Und verweist damit auf Fähigkeiten und Fertigkeiten, Ressourcen und Zugänge, die Frauen wie Männer für das Gemeinwesen erbringen können und sollen.
Und warum in einer Genossenschaft? Die (Rück)Eroberung der genossenschaftlichen Organisationsform
Erste Erfahrungen mit der Gründung einer Genossenschaft für Bürgerbeteiligungsanlagen im Bereich Erneuerbare Energie in Salzburg waren niederschmetternd. Hinhaltetaktik, absichtliche Fleißaufgaben (es muss für jede Beteiligungsanlage eine eigene Genossenschaft gegründet werden), Unterstellung statt Unterstützung bei der Errichtung der Statuten und am Ende eine Satzung, die ausschließlich die männliche Form kannte (Obmann, Schriftführer und Kassier). Allein der Hinweis, dass Statuten heutzutage gegendert werden (müssen), hat bei den Beratern des Raiffeisen Revisionsverbands massives Unbehagen ausgelöst. Erst das Eingreifen eines „gestandenen“ Mannes führte letztendlich zur Gründung der AEE eGen (Agentur für erneuerbare Energie eGen). Ähnliche Anwendungen von Herrschaftswissen haben in diesen letzten Jahren viele aktive Bürgerinnen und Bürger gemacht: Heinrich Staudinger, der Gründer von GEA, wollte die Waldviertler Schuhfabrik ausbauen und trat dazu in Verhandlungen mit seiner Hausbank. Zusätzliches Kapital wurde ihm dort verweigert. Als er Geld von Freunden und Kunden bekam, trat die Finanzmarktaufsicht (FMA) auf den Plan. Während in dieser Zeit Riesenbeträge in Bankgeschäften der Hypo Alpe Adria unter den Augen der FMA verzockt wurden, sollte eine Firma, die Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen Österreichs geschaffen hatte und mit ihrem Konzept der Beteiligung äußerst erfolgreich war, bestraft werden. Das hat viele Leute zu Widerstand inspiriert; und zur Gründung des Förderungs- und Prüfungsvereins gemeinwohlorientierter Genossenschaften „Rückenwind“ geführt. Das Pfingstsymposium 2017 in Schrems beschäftigt sich wieder mit „gemeinsinnig wirtschaften“ und schafft Raum zum Austausch, zur Beratung und zur Begegnung.
Frauen in Genossenschaften. Noch ist sie Zukunftsmusik: Die Genossinnenschaft FREDA
Das Konzept und der Geschäftsplan für FREDA wurden während der Teilnahme am Lehrgang „GeldundLeben. Wirtschaftskompetenz entwickeln“ der frauenakademie der ksoe erarbeitet. Meine Erfahrungen als Regionssprecherin der Grünen im Parlament (2002-2006) und als Vertreterin der Fraueninitiativen im Begleitausschuss für die ländliche Entwicklung haben mich bestärkt, die Organisationsstruktur der Genossenschaft zu nutzen.
Die Gleichstellung der Geschlechter als wichtige regionalpolitische und regionalökonomische Frage wurde schon von Forscherinnen wie Elisabeth Aufhauser, Theresia Ödl-Wieser, Mathilde Schmitt und anderen thematisiert.
Viele Forschungsfragen sind beantwortet: Jetzt geht es an die Umsetzung!
Neben der Informationsarbeit über die Möglichkeiten, die das Programm Ländliche Entwicklung LE14-20 im Bereich der Gleichstellung der Geschlechter bietet, sollen Konzepte erstellt und Projekte von der Genossinnenschaft eingereicht werden.
Autorin:

Heidemarie Rest-Hinterseer
Geschäftsführende Obfrau Öko Strombörse Salzburg, Obfrau KoKon beratung und bildung von frauen im pinzgau und pongau, Obfrau Pongauer Arbeitsprojekt PAP in Schwarzach/Pongau, Gründungsmitglied Rückenwind
Links:
Rückenwind.coop (Förderungs- und Revisionsverband gemeinwohlorientierter Genossenschaften)
Pfingstsymposium Schrems „Gemeinsinniges Wirtschaften“, 2.-5. Juni 2017
Agentur für erneuerbare Energie eGen
#solidarischeoekonomie #gleichstellung #genossenschaft #rückenwind.coop #ländlicherraum #partizipation #demokratie #wirtschaftandersdenken #energiegenossenschaft #ksoefrauenakademie #gea #heinrichstaudinger