Am 24. Jänner begehen wir den „Internationalen Tag der Bildung“, den die UNO 2019 ins Leben gerufen hat. Ein Anlass für die ksoe als Anbieterin politischer Erwachsenenbildung darüber nachzudenken, wo wir mit der Debatte über Bildung in Österreich stehen und welche Ansätze uns dabei fehlen.
Den 24. Jänner hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Tag der Bildung erklärt. Der Gedanke dahinter ist die Betonung der Wichtigkeit von Bildung für die Schaffung von Frieden und Chancengleichheit als Teil der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Nur durch einen inklusiven und gerechten Bildungszugang können laut UN die Ziele von Teilhabe und Gleichberechtigung erreicht bzw. der Teufelskreis der Armut durchbrochen werden. Auch in Österreich wird heftig über Bildung diskutiert und alle sogenannten BildungsexpertInnen, WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und auch weite Teile der Bevölkerung sind sich einig: Wer eingeschränkten oder keinen Zugang zu Bildung hat, tut sich schwerer im Leben. Die Geister scheiden sich allerdings bei der Ausgestaltung besagter Bildung. Hier kommt dann die „Bildungsreform“ ins Spiel.
Bildung – worüber sprechen wir eigentlich?
Das Thema Bildung ist omnipräsent, vieles wird hier diskutiert: die schlechten PISA-Ergebnisse, die Aufforderung zum „lebenslangen Lernen“, der Wunsch nach Vermittlung von Werten in den Schulen – oder auch das genaue Gegenteil. Wieder mehr Hinwendung zu einem humanistischen Bildungsideal oder doch lieber „zeitgemäße“, fachliche Grundbildung? Mehr Bücher lesen oder doch besser computergestütztes „Infotainment“? Ethik- oder Religionsunterricht oder nichts von beiden? Viele Bereiche, viele Thesen, noch mehr Betroffene und trotzdem wenig Sicht auf das gesamte Ganze. Wo man sich leicht in Details verliert, bleibt die Vision auf der Strecke. Die Grundfrage, wie wir uns einen gebildeten Menschen idealerweise vorstellen, was sie/ihn auszeichnet, ist mit den Parametern, an denen wir Bildung heute sichtlich bemessen, kaum mehr zu beantworten. Wir brauchen ein ganzheitliches, nicht alleine an intellektueller Leistung oder wirtschaftlicher Nutzbarkeit festgemachtes Verständnis von Bildung.[1] Bildung muss auch heute, vor allen funktionalen Erwägungen, dem Ziel der Persönlichkeitsbildung dienen.
Bildung ist mehr als Ausbildung
Bildung beginnt natürlich mit dem Lernen, einer Ausbildung. Doch muss sie auch in größerem Kontext gesehen werden. Die bislang geführte öffentliche Debatte versucht zu oft, Bildung auf ihre Zweckebene der Leistungsbefähigung zu reduzieren und greift damit meist zu kurz. Bildung ist mehr als Wissen[2], muss weiter verstanden werden, als rein schulisch vermitteltes und abprüfbares Wissen. Bildung hört nicht mit dem Abschluss einer Ausbildung auf. Den Wert von Bildung in ihrer unmittelbaren Umsetzbarkeit für Karriereschritte zu bemessen, ist in einer sich rasch ändernden Welt zwar verständlich, aber weder nachhaltig, noch entspricht es dem Bild des Menschen als sich entwickelndes Wesen. Werden nämlich die kleinsten Einheiten eines Systems – wir Menschen – reduziert auf ihre Leistungsfähigkeit ohne die Möglichkeit, die Prozesse eines größeren Systems zu verstehen, zu beurteilen und gegebenenfalls zu verändern, wird auch die Weiterentwicklung des Systems selbst verhindert, es kann sich an veränderte Umwelten nicht mehr anpassen. Auch wenn es für das System unbequem sein mag: Kritische Auseinandersetzungen und „Störungen“ ermöglichen erst seine Entwicklung und sein Weiterleben. Es geht heute weniger um das Recht auf Bildung (unbestritten), als um die Überlegung, wofür dieses Recht eingesetzt wird (sehr umstritten).
Bildung ist in einer immer stärker differenzierten, pluralisierten und schnelleren Gesellschaft ein wichtiger Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille, denn Bildung nützt den Einzelnen, aber auch der Gesellschaft insgesamt. Ganzheitlich verstandene Bildung ist eine der Grundlagen für unsere Wohlfahrt – „das gute Leben für alle“ – denn Bildung schafft auch die Voraussetzungen für die kulturellen, politischen, ökonomischen Entwicklungen einer Gesellschaft. Erscheint logisch, ist aber in Wirklichkeit gar nicht so eindeutig und beweist sich am Beispiel von Fridays For Future: Sind die jungen DemonstrantInnen Schulschwänzer und damit Bildungsverweigerer oder haben sie sich außerhalb der Schule auch demokratiepolitisch weitergebildet und quasi im Vorbeigehen einen Entwicklungsprozess zu mehr Nachhaltigkeit in der Gesellschaft angestoßen?
Sozialethische Bildung
Bildung und der Zugang dazu sind sozialethisch relevante Fragen. Aus sozialethischer Sicht hat Bildung vor allem die Aufgabe, Entwicklungen in der Gesellschaft kritisch und mündig zu beurteilen, Standpunkte differenziert zu argumentieren und zur Übernahme von Verantwortung zu befähigen. Denn Fakt ist: Ohne Zugang zu Bildung ist die Orientierung in einer hochkomplexen, informationslastigen und immer schnelleren Welt nur mehr schwer möglich. Fühlen sich Menschen permanent überfordert, ziehen sie sich mehr und mehr zurück, dadurch bröckelt letztendlich auch der Zusammenhalt und soziales Engagement nimmt ab.
Bildung ermöglicht das Hinausschauen über den eigenen Tellerrand, sie fördert Austausch, stärkt das Verständnis für andere Lebensweisen und –formen und ermöglicht dadurch ein friedlicheres Zusammenleben. Mit der Erweiterung des Horizonts durch Bildung wächst nicht nur das Problembewusstsein, sondern auch das Anspruchsniveau gegenüber angepeilten Lösungen. Der Mensch lernt, sich selbst ein Urteil zu bilden und frei Verantwortung zu übernehmen. Es geht auch um Bildung des eigenen Bewusstseins und das der anderen, Um- und Neugestaltung von Institutionen durch konkrete Initiativen und politische Prozesse in der Öffentlichkeit. Bildung ermöglicht, zu erkennen, welche strukturellen Veränderungen nötig sind, damit gemeinsame Werte sich in der Gesellschaft manifestieren können. Dazu braucht es den öffentlichen Diskurs und auch die Fähigkeit, sinnvoll Konflikte auszutragen.
Bildung und Beratung in der ksoe
Die ksoe als Akademie für Bildung und Beratung und politische Erwachsenenbildnerin verfolgt hier seit ihrer Gründung von mehr als 60 Jahren einen konkreten Auftrag: die Beteiligung an gesellschaftlichen Diskursen und die Begleitung von Bildungsprozessen hin zum Wandel in einer Gesellschaft, die über das Engagement Einzelner auf betrieblicher oder kommunaler Ebene aber auch durch ethische Urteilsbildung in der Öffentlichkeit erreicht werden kann. Die ksoe versteht Bildungsarbeit als Grundlage für die Manifestation einer gemeinsamen Vision von einem friedlichen, respektvollen und inkludierenden Miteinander aller Menschen in einer Gesellschaft.
Es geht um die Frage, welche Gesellschaft wir wollen, und wie wir unsere Vision mit jener anderer Gesellschaften in Einklang bringen können. Denn wir sind eingebettet in eine weitaus größere und gleichzeitig kleinere Welt als je zuvor und können uns dieser wechselseitigen Verschränkung nicht mehr entziehen.
Die Bildungsarbeit der ksoe mit ihren wesentlichen Bezugspunkten katholischer Sozialethik erreicht Personen in Zivilgesellschaft, Bildungseinrichtungen, in Kirchen genauso wie in Wirtschafts- und Arbeitsbereichen. Inhaltliche Schwerpunkte sind Soziale Gerechtigkeit, Alternatives Wirtschaften sowie Führung und Partizipation. Mit den über 4.000 TeilnehmerInnen jährlich werden Themen wie Demokratie, Gleichberechtigung, Leben mit Pluralismus, Alternativen zur bestehenden Ökonomie, aber auch die Entwicklung positiver Strukturen und Entscheidungsprozesse für den sozial-ökologischen Wandel erarbeitet. ksoe-Lehrgänge bieten Raum für Reflexion und Entwicklung, in regelmäßigen Publikationen wie den ksoe-Dossiers, dem ksoe blog, auf Social Media und über Stellungnahmen arbeitet die Einrichtung der Bischofskonferenz im Sinne der Soziallehre an der Gestaltung der Gesellschaft mit. Außerdem engagiert die ksoe sich in vielfältigen Kooperationen und arbeitet in diversen Foren und Institutionen sowie bei Projekten auf EU-Ebene mit.
Die Frage nach der Ethik der Bildung selbst ist letztendlich auch relevant: Nach welchen Kriterien soll Bildung ausgerichtet werden, wie sollen Bildungsprozesse aussehen? Die Bildungsarbeit und Beratung der ksoe verfolgt dabei folgenden Ansätze:
- Demokratie lernen: Demokratie und Bildung sind voneinander abhängig, Dialogfähigkeit ist Voraussetzung für den demokratischen Prozess
- Perspektivenwechsel und Kooperationsfähigkeit: sich öffnen für andere Erfahrungen, zulassen, dass sich das eigene Weltbild verändert, dazulernen
- Konfliktkultur: Unterschiede wahrnehmen, Konflikte zulassen, die eigene Identität hinterfragen und verorten
- Partizipation leben: Anregung zu Reflexion und zur Weiterentwicklung von Überzeugungen, aktive Beteiligung an Veränderungsprozessen
- Zukunftsgestaltung: Persönlichkeitsentwicklung hin zum Übernehmen von Verantwortung und zum Mut und der Freude an der Gestaltung des Umfeldes
- Sozialethik: Welche Gesellschaft wollen wir, wie leben wir darin?
- Alternativen kennen. Besonders im Bereich der Ökonomie gibt es alternative Theorien und konkrete Praxisbeispiele für Partizipation und solidarisches Wirtschaften
Bildung ist ein gesellschaftliches Zukunftsprojekt, an dem wir gemeinsam und mit Blick auf seine ganzheitliche Dimension und vielfältigen Verknüpfungen arbeiten. Bildungspolitische Maßnahmen müssen sich an einem umfassenden Bildungsbegriff orientieren, soziales Lernen soll als gleichberechtigtes Ziel anerkannt werden. Seien wir mutig und fordern wir den im Regierungsübereinkommen unter dem Stichwort „LLL:2020 – Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich“ postulierten Ausbau des Angebotes für lebensbegleitende Erwachsenenbildung ein. Aber vor allem auch mit dem Gesamtblick auf ganzheitliche Bildung im Sinne der Sozialethik, die mündige, dialogfähige und verantwortliche BürgerInnen hervorbringen will. Auch wenn sie manchmal „stören“.
[1] Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich
[2] ebd.
Autorin

Mag.a Daniela Ebeert, MBA, interimistische Leiterin der Kommunikation in der ksoe, ist studierte Wirtschafts-
wissenschaftlerin mit Schwerpunkt Marketing & PR.