Ruf nach „großer Transformation“ bei 60-Jahr-Feier der Aktion Familienfasttag der kfbö
„´ Teilen´ heißt für die Aktion Familienfasttag im 60. Jahr ihres Bestehens, sich aktiv für einen umfassenden, d.h. ökonomischen, ökologischen und sozialen Systemwandel einzusetzen mit dem Ziel, Gerechtigkeit und ein gutes Leben für alle Menschen dieser Welt sicherzustellen“, so Veronika Pernsteiner, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs anlässlich des Festakts zum 60. Geburtstag der Aktion Familienfasttag der kfbö am 9. November in Salzburg. Die entwicklungspolitische Initiative der kfbö, mit der 1958 unter kfbö-Vorsitzender Herta Pammer erstmals Frauen aus Österreich für Frauen aus dem Globalen Süden aktiv geworden sind – mittlerweile in Zusammenarbeit mit mehr als 100 Projektpartnerinnen in Asien, Afrika und Lateinamerika – , hat mit einem Symposium zum Thema „Transformation“ und der Rolle des Empowerments von Frauen dabei am 9. und 10. November in Salzburg einen inhaltlichen Markstein gesetzt. Das von mehr als 100 Frauen und Männern besuchte Symposium war nicht nur Auftakt für die Arbeit am neuen Schwerpunkt der Aktion Familienfasttag, sondern versteht sich als „Paradigmenwechsel“ in der Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit der kfbö, die damit auf die großen Krisen der Zeit reagiert.
Alternativen zum globalen Kapitalismus
„Die Wirtschaftskrise ist nicht zu trennen von sozialen und ökologischen Krisen“, so Pablo Solón, Leiter der Bolivianischen Beobachtungsstelle für Klimawandel und Entwicklung und Autor des kürzlich im Verlag Mandelbaum in Wien auf Deutsch erschienen Buches „Systemwandel. Alternativen zum globalen Kapitalismus“. Solón, Referent beim Symposium in Salzburg, mahnte die Rechte der Natur ein, in einer von Kapitalismus, Patriarchat, Anthropozentrismus, Fremdenfeindlichkeit und Verteilungsungerechtigkeit geprägten Welt, die aus dem Gleichgewicht geraten sei. Global betrachtet sieht Solón Frauen an der Spitze von Gegenbewegungen, „und sie werden noch mehr aufstehen“, zeigte er sich sicher, denn sie seien von den Auswirkungen der multiplen Krisen am stärksten betroffen. An den Männern liege es, mit den Frauen solidarisch zu sein, sie bei ihrem Einsatz zu unterstützen.
„System Erde“ in der Krise
„Alles ist mit allem verbunden“, so das Credo von Solón beim kfbö-Symposium, daher müsse an den Wurzeln der verschiedenen Krisen gleichzeitig angesetzt werden: „Die Wirtschaftskrise in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war ein weitgehend isoliertes Phänomen. Heute ist das ‚System Erde‘ in der Krise“. Die notwendige Transformation müsse rasch erfolgen, mit „crashes“ sei dabei zu rechnen. Punkto Erderwärmung sei etwa bereits in zehn Jahren der „point of no return“ erreicht. „Wir brauchen eine Wirtschaft, die dem Leben und der Regeneration von Leben dient“, so Solón, die Mensch und Natur heile. Mit dem Mythos, dass das Geld dazu fehle, müsse aufgeräumt werden, denn es sei derzeit auch möglich, knapp zwei Trilliarden Dollar jährlich in Rüstung und damit „in den Tod“ zu investieren – 50 mal mehr als notwendig wäre, um global ausreichende Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Eine „ehrliche“, transformative, regenerative Ökonomie würde nicht auf Spekulation bauen, sondern in den realen Sektor investieren, „Lebens-Bereiche“ wie Pflege und Haushalt inkludieren, eine „Entglobalisierung“ vollziehen und sich auf lokale Produktion und Konsumation fokussieren. „Die meisten Banken wären bankrott“, so Solón, im derzeitigen System gelte aber: „Wäre das Klima eine Bank, wäre es gerettet“.
Aufbruch nötig
„Es kann nicht weitergehen wie bisher“, appellierte Festrednerin Anja Appel an die TeilnehmerInnen des kfbö-Symposiums auch im Blick auf das weltweite wie auch nationale Erstarken rechter und rechtspopulistischer Kräfte. Was es für eine Transformation brauche, sei der Aufbruch aus der Komfortzone, der „respektvolle Streit“ in der eigenen Umgebung und Organisation. Menschenwürde, Kooperation, Genügsamkeit und Gemeinwohl bildeten die Pfeiler einer Transformation, so die Ökonomin und Anthropologin Cornelia Barger. Papst Franziskus habe ein „Narrativ“, also eine Erzählung zur Veranschaulichung von Zusammenhängen und dem Einüben von systemischem Verständnis geliefert, als er im Schreiben „Laudato si“ den Planeten Erde als „gemeinsames Haus“ der Menschheit bezeichnete. Wichtig seien überdies „PionierInnen des Wandels“, Menschen, die Beispiele für Lösungsansätze vorlebten, denn die „große Transformation“ basiere auf „vielen kleinen Veränderungen“.
Praktische Lösungsansätze
Beispiele für diese Lösungsansätze präsentierten beim Symposium in Salzburg u.a. Projektpartnerinnen der Aktion Familienfasttag der kfbö. Alina Menjivar, Koordinatorin der Fraueninitiative „Colectiva feminista“ in El Salvador, berichtete vom Erfolg beim Einsatz für die gemeinschaftliche Verwaltung von Wasser und die Einbeziehung von Frauen in die betreffenden Entscheidungsebenen. Durba Ghose, Leiterin der Initiative „Mittika“ in Indien (siehe Beitragsbild), erläuterte ihren Ansatz, mit Mitteln von Kunst und Kultur verinnerlichte, systemrelevante Haltungen – so etwa patriarchale Einstellungen und Verhaltensweisen – sichtbar, bewusst und veränderbar zu machen. Aus Österreich lieferte Heidi Rest-Hinterseer, Geschäftsführerin der Ökostrombörse Salzburg, das Beispiel vom „KLIMA.CENT“, mit dem ihr Verein regionale Klimaschutzprojekte fördert. „Systemwandel ist, wenn viele Leute an vielen Orten ins Reden, aber auch ins Handeln kommen“, so Rest-Hinterseer. Barbara Stefan repräsentierte beim Symposium attac, die internationale, auch in Österreich ansässige zivilgesellschaftliche Organisation, die sich seit rund 15 Jahren für eine demokratische und sozial gerechte Gestaltung der globalen Wirtschaft einsetzt. Sie forderte angesichts männlich definierter und dominierter politischer Strukturen „neue Methoden des Politischen“ und betonte die Bedeutung der Vernetzung sowie des Einstehens für die, die im gegenwärtig herrschenden System kaum oder keinen Platz finden: „Das mächtigste Mittel, das wir entgegensetzen können, ist Solidarität“.
„Wir feiern mit einem Rucksack von Erfahrungen und ausgestrecktem Bein für einen Schritt in die Zukunft“, stellte die Moderatorin des Festakts, kfbö-Generalsekretärin Regina Augustin, fest. Es gelte, den „Wandel zu wagen“, und das heiße, so kfbö-Referent und Mitorganisator des Symposiums Jonathan Scalet, „Radikalität zu wagen“, darüber nachzudenken, wie diese politisch umgesetzt werden könne: „An welchen Hebeln wollen wir ansetzen?“.
Ein besonderes Angebot richtet die Aktion Familienfasttag im Jubiläumsjahr an JungjournalistInnen: im Gedenken an die Gründerin der Aktion, Herta Pammer, hat sie den Herta-Pammer-Preis für JungjournalistInnen ausgeschrieben. (Infos dazu: www.teilen.at).
Presseaussendung der kfbö vom 12.11.2018 (leicht gekürzt durch die ksoe-blog-Redaktion)