Glaube und Gerechtigkeit – Festrede zum sechzigjährigen Bestehen der ksoe

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„Glaube und Gerechtigkeit“ – in der Verbindung dieser beiden Worte ist die Option, die Grundausrichtung des Jesuitenordens, die alle einzelnen Tätigkeiten bestimmt, formuliert.
Sie hat auch die ksoe – seit ihrer Gründung und durch die Mitarbeit von Jesuiten – in all diesen Jahren geprägt.

Mit Freude und Wertschätzung grüße ich deshalb als Provinzial die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Freundinnen und Freunde der ksoe und alle zum Fest ihres 60-jährigen Bestehens Versammelten.

Mitte Februar dieses Jahres hat der Jesuitenorden in einem zweijährigen Prozess seine Präferenzen für die kommenden zehn Jahre formuliert. Es sind vier:

  1. Ein Weg zu Gott: Durch Unterscheidung und Geistliche Übungen den Menschen Gott finden helfen.
  2. An der Seite der Benachteiligten: Gemeinsam mit den Armen, gesandt zu Versöhnung und Gerechtigkeit.
  3. Mit jungen Menschen: Jugendliche und junge Erwachsene bei der Gestaltung einer hoffnungsvollen Zukunft begleiten.
  4. Für die Schöpfung: In der Sorge für das Gemeinsame Haus zusammenarbeiten.

Wie sehr diese Präferenzen eine Orientierung an der Option „Glaube und Gerechtigkeit“ darstellen, dafür ein Zitat aus dem Text:

„Der Weg, den wir – gemeinsam mit den Armen – gehen möchten, ist die
Förderung der sozialen Gerechtigkeit und die Änderung der wirtschaftlichen,
politischen und gesellschaftlichen Strukturen, die Ungerechtigkeit hervorrufen.
Dies ist eine notwendige Dimension der Versöhnung der Menschen, Völker und
Kulturen untereinander, mit der Natur und mit Gott.“

Glaube und Gerechtigkeit sind dynamische Begriffe und deshalb im Laufe der Zeit immer wieder neu zu reflektieren und zu konkretisieren.

Was bedeutet Glaube im Kontext der Säkularisierung, einer postsäkularen Gesellschaft, in der Pluralität der Lebenskonzepte, vor allem aber auch im interreligiösen Kontext? Wie ist Gerechtigkeit zu bestimmen für Arbeit, Wirtschaft und Soziales im Kontext einer postindustriellen Gesellschaft, digitaler Kommunikation, einer globalen Ökonomie und den Herausforderungen des Klimawandels?

So ist mein erster Wunsch: Interesse und Freude, sich diesen Herausforderungen und in ihrer Dynamik immer neu zu stellen!

Glaube und Gerechtigkeit verweisen weiters auf das Vertrauen in die Möglichkeit, eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen zu gestalten. Entgegen den Tendenzen von Fixierung allein auf die eigenen kurzfristigen Interessen, auf rein technische Lösungen oder auch der Resignation gegenüber politischer Gestaltbarkeit, bedarf es des Hinhörens auf die Hoffnungen und Ängste der Menschen, der leidenschaftlichen Orientierung an einer guten Zukunft für alle Menschen auf unserem Planeten.

So ist mein zweiter Wunsch: Kreativität und Phantasie zur Entwicklung von lebbaren Zukunftsperspektiven!

Die Entwicklung von Perspektiven gerechter Verhältnisse und deren Umsetzung im gesellschaftlich-politischen Prozess bedarf eines permanenten Dialogs, des Ringens um Verständigung und Konsens und gemeinsam getragenen Engagements.

So ist mein dritter Wunsch: die Gabe der Unterscheidung und Ausdauer im Ringen um gemeinsame Lösungen im Dialog und in der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen politischen Gruppierungen und Initiativen, mit den verschiedenen Kirchen und Religionen.

„Die wichtigste Aufgabe ist es, den Menschen unserer Zeit Motive des Lebens und der Hoffnung geben.“ Dieses Leitwort von P. Walter Riener SJ, des ersten Leiters der Katholischen Sozialakademie, gilt auch für den Weg der ksoe in die kommenden Jahren.
Motive des Lebens und der Hoffnung zu geben, für Glaube und Gerechtigkeit einzutreten und daraus eine gemeinsame Zukunft zu gestalten.

Oder wie es der 34. Generalversammlung des Jesuitenordens formuliert hat:

Kein Dienst am Glauben ohne
Förderung der Gerechtigkeit,
Eintritt in Kulturen,
Offenheit für andere religiöse Erfahrungen.

Kein Dialog ohne
den Glauben mit anderen zu teilen,
Kulturen zu untersuchen,
Sorge zu tragen für Gerechtigkeit.

Eine spannende, wahrlich nicht immer leichte, aber sehr schöne Aufgabe! Alle guten Wünsche der ksoe auf ihren Weg in die Zukunft!

P. Bernhard Bürgler SJ Provinzial der Österreichischen Jesuiten

(Fest-Rede anlässlich 60 Jahre ksoe, 29.3.2019, Kardinal König Haus, Wien
gehalten von P. Markus Inama SJ, in Vertretung von P. Bürgler SJ)

Autor

Pater Bernhard Bürgler SJ
P. Bernhard Bürgler SJ

Pater Bernhard Bürgler SJ
ist ein Experte in den Bereichen Spiritualität, Exerzitien, Meditation und Psychoanalyse. Seit 2014 ist er der Provinzobere der österreichischen Jesuiten