Klima-Wandel findet bereits statt und hat schwerwiegende Auswirkungen
Ende der Woche wird im polnischen Katowice die 24. Vertragsparteien-Konferenz der UN-Klima-Konvention – wohl mit gemischten Resultaten – zu Ende gehen. In den letzten Wochen hatten sich die Warnungen der WissenschafterInnen vor den verheerenden Auswirkungen eines ungebremsten Klima-Wandels gemehrt.
- Der Sonderbericht des International Panel on Climate Change (IPCC) zu „Globaler Erwärmung um 1.5 Grad Celsius“ vom Oktober 2018, macht u.a. plausibel, wie eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad – gegenüber 2 Grad – das Ansteigen des Meeresspiegels um 10 cm geringer halten und zumindest 10 bis 30 Prozent der Korallen-Riffe eine Überlebenschance geben würde. Die AutorInnen des Berichtes lassen aber auch keinen Zweifel, dass wir bereits die Auswirkungen einer globalen Erwärmung um etwa 1 Grad vis-à-vis dem vorindustriellen Zeitalter erleben, in der Form von schwereren Unwettern und extremen Wetter-Variationen, dem Ansteigen des Meeresspiegels und Abschmelzen des arktischen Eises.
- Ein Ende November 2018 veröffentlichter Bericht der 13 Agenturen des Globalen Forschungsprogrammes der USA warnt vor den Auswirkungen des Klima-Wandels in den USA in deutlicher Sprache: „Die Gesundheit und Sicherheit von Menschen, unser Lebensstandard und das wirtschaftliche Wachstum in Gemeinschaften quer durch die USA werden zunehmend verletzlich durch die Einwirkung von Klima-Wandel.“
- Wenige Tage nach dem amerikanischen Bericht betonte das renommierte Medizin-Journal „The Lancet“ mit seinem heurigen Countdown zu den Zusammenhängen zwischen Gesundheit und Klimawandel, dass die durch den Klima-Wandel ausgelösten Gesundheitsbedrohungen – wie Hitzewellen, Zunahme von durch Erreger übertragenen Krankheiten und Beeinträchtigungen der Nahrungsmittel-Versorgung – für immer größere Teile der Weltbevölkerung und insbesondere für ältere Menschen stark zunehmen und einhergehen mit Überforderungen für ohnehin schon angespannte Gesundheits- und Sozialsysteme.
Noch nicht auf einem Paris-konformen Entwicklungspfad
Gleichzeitig wissen wir, dass wir – als Weltgemeinschaft – derzeit keineswegs auf einem Entwicklungspfad sind, der uns den Zielen des Pariser Klima-Abkommens (mit einer Beschränkung auf maximal 2 Grad Celsius Erwärmung und dem Ehrgeiz, deutlich darunter zu bleiben) näherbringt. Angenommen alle bisher abgegebenen Selbst-Verpflichtungen der Staatengemeinschaft würden tatsächlich vollinhaltlich umgesetzt, so würde die Erwärmung dennoch an die 3,8 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter ausmachen. Wir wissen auch, was erforderlich ist, um das 2 Grad Ziel zu erreichen: Emissionen müssen ab 2020 deutlich sinken und danach jedes Jahrzehnt in etwa halbiert werden. Gleichzeitig können sich landwirtschaftlich genützte Flächen nicht weiter ausdehnen; vielmehr muss alles getan werden, um möglichst viel Co2 durch Wiederaufforstung in Wäldern und durch geeignete andere Landmanagement-Maßnahmen im Boden zu binden bzw. durch moderne Technologien aus der Atmosphäre zu entfernen. Dies ist technologisch machbar – versichern ExpertInnen und AktivistInnen, wie die, die die Exponentielle Klima-Karte für den Klima-Gipfel im September 2018 in Kalifornien vorbereitet haben. Die digitale Revolution wird dabei von großer Bedeutung sein. Beispiele für rasche technologische Veränderungen, mit positiven Auswirkungen auf die Emissionen, gibt es genug: „In 8 Jahren, hat die Stadt Shenzhen in China ihre ganze Flotte von 16 000 Bussen elektrifiziert. In Norwegen waren mehr als 50 % der neuen Autos elektrisch oder hybrid. In Indien wird 55 % des Stroms von erneuerbaren Quellen kommen. Mit starken Politiken, könnte das nächste Jahrzehnt das Ende der fossilen Treibstoffe bringen. Dies ist ein wesentlicher Schritt in der Entwicklung der Menschheit“, schreibt Owen Gaffney vom Stockholm Resilience Centre and Future Earth im Vorwort des Berichtes.
Die Alpen sind besonders klima-wandel-gefährdet
Österreich ist – mit seinem hohen Alpen-Anteil – im Zusammenhang mit Klimawandel besonders verwundbar. Dies geht u.a. aus dem Österreichischen Sachstandsbericht Klimawandel hervor, den IIASA mit Boku, TU Wien und TU Graz 2014 erstellt hat. So verzeichnete Österreich eine Erwärmung um etwa 2 Grad seit 1880, verglichen mit einem globalen Temperatur-Anstieg um etwa 0,8 Grad. Eine weitere Erwärmung bis 2050 um etwa 1,4 Grad gegenüber dem derzeitigen Niveau wird als sehr wahrscheinlich bezeichnet. Alle vermessenen Gletscher in Österreich haben seit 1980 deutlich an Fläche und Volumen verloren, und die Permafrost-Grenze klettert weiter nach oben. An ökonomischen Auswirkungen hebt der Sachstandsbericht die Schäden durch extreme Wetter-Ereignisse – wie vermehrtes Auftreten von Muren, Rutschungen, Steinschlägen, erhöhte Waldbrand-Gefahr, Veränderungen in den Ablagerungen und dem Geschiebe von Bächen und Flüssen – hervor. Festgehalten wird auch, dass die nationalen Co2-Emissionen Österreichs seit 1990 weiter gestiegen sind, wiewohl sich Österreich unter dem Kyoto-Protokoll verpflichtet hat, seine Co2-Emissionen im Zeitraum 2008 bis 2012 um 13 % (gegenüber 1990) zu senken. EU-weit sind die Emissionen gegenüber 1990 um fast ein Viertel gesunken.
Ende Mai 2018 stellte die österreichische Bundesregierung ihre neue Energie- und Klima-Strategie vor. In ihrem Vorwort bekennt sich die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Elisabeth Köstinger, dazu, die Chancen der Energie-Wende zu erkennen. Alle – „vom Häuselbauer“ bis zur Groß-Industrie – sollen mobilisiert werden und mitmachen; dabei will die Bundesregierung „auf Anreize statt Verbote, auf Entlastung statt Belastung, auf Einbindung statt Bevormundung setzen“. Norbert Hofer, Minister für Verkehr, Infrastruktur und Technologie, betont in seinem Vorwort vor allem die „umwelt- und innovationsfreundliche Mobilitätswende“ und plädiert dafür, die vor Österreich liegenden „Herausforderungen als Chance zu sehen, bei der Klimaschutz und Wirtschaftswachstum nicht im Widerspruch zu einander stehen“.
Die Strategie setzt sich das Ziel eines „konsequenten Dekarbonisierungspfades bis 2050“. Bis 2030 sollen die Treibhausgase um 36 % gegenüber 2005 reduziert werden; dieses Ziel wird etwa von Global 2000 als zu wenig ambitioniert kritisiert, es sei nicht geeignet, die EU-Ziele bis 2030 zu verwirklichen bzw. dem Pariser Abkommen zu entsprechen.
Die Strategie stellt sich 8 Aufgaben (wie „Infrastruktur für ein nachhaltiges Österreich ausbauen“, oder „Gezielte Anpassung des Förder- und Abgabensystems zur Erreichung der Klima- und Energieziele“) und führt 12 Leuchtturmprojekte an, wie z.B. „Effiziente Güterverkehrslogistik“, „Thermische Gebäudesanierung“ oder „Green Finance“. Hinsichtlich der Anpassung an den Klimawandel wird auf die 2012 vom Ministerrat angenommene Strategie verwiesen, deren Umsetzung laufe, sowie auf das Programm des Klima- und Energiefonds „KLAR!“, das seit 2016 läuft. Auf der Basis dieser Strategie soll auch der unter EU-Regeln von allen EU-Mitgliedsstaaten verpflichtend zu erstellende integrierte nationale Energie- und Klima-Plan ausgearbeitet werden.
Kritik kommt von Nicht-Regierungsorganisationen, wie dem WWF, der im April 2018 ein eigenes Schwarz-Buch zur Strategie erstellte oder auch dem Dachverband Erneuerbare Energie Österreich. Mit dieser Strategie sei es unmöglich, die Pariser Ziele, oder auch nur die EU-Vorgaben, zu erreichen. Kritisiert wird u.a., dass Energie-Sparen als Thema nicht vorkommt, dass umweltschädliche Subventionen nicht abgebaut und die Möglichkeiten einer öko-sozialen Steuer-Reform nicht wahrgenommen werden.
Individuelle Handlungsmöglichkeiten
Die Verringerung von Treibhausgas-Emissionen kann und muss in vielen Bereichen gleichzeitig angegangen werden. Möglichkeiten für das Handeln von Einzelnen und Gruppen gibt es viele. Hier sind einige Fragen zu möglichen leicht vorzunehmenden Veränderungen, die unabhängig davon sind, wie erfolgreich oder erfolglos die Klima-Konferenz in Katowice ist.
a) Kürzlich hatte ich auf einer Konferenz Gelegenheit, den bekannten Klima-Forscher Prof. Johan Rockström zu fragen, welche Maßnahme für sich selbst genommen am Besten wirken würde, um die exponentielle Emissions-Reduktion in die Wege zu leiten, die nötig ist, um die globale Erwärmung unter 2 Grad Celsius zu halten. Seine Antwort war wie aus der Pistole geschossen: einen vernünftigen Preis für CO2 festlegen. Österreichs westliche Nachbarin, die Schweiz, die ähnlich hohe Erwärmungsraten wie Österreich aufweist, hat in einem neuen Energie-Gesetz eine dynamische CO2-Abgabe von derzeit 83 EURO pro Tonne Karbon normiert. Können Sie dazu beitragen, die politische Akzeptanz einer CO2 Abgabe in Österreich zu erhöhen? Durch Gespräche im Familien- und Bekanntenkreis? Durch politisches Engagement?
b) Rund 25 österreichische Nichtregierungsorganisationen engagieren sich über die „Allianz für Klima-Gerechtigkeit“. Wie könnten Sie die eine oder andere Organisation oder das eine oder andere Anliegen unterstützen?
c) Die umweltverträglichste – und gleichzeitig billigste – Energie ist die, die nicht verbraucht wird. Energie-Sparen klingt zwar ein wenig altmodisch, ist aber aktuell wie nie zuvor. Welche drei Maßnahmen des Energie-Sparens wollen Sie in den nächsten Wochen in ihrem konkreten Tagesablauf verankern? Tipps zum Energie-Sparen im Haushalt gibt es z.B. vom Verbund oder von der NGO Reset. Für die klima-gerechte Mobilität gibt es auch jede Menge Anregungen – vom täglichen Work-Out durch Zu-Fuß-Gehen oder Radfahren, über Car-Sharing und Fahrgemeinschaften, zu Urlaub im Nah-Bereich und Öko-Reisen (z.B. hier: muttererde.at)
d) Österreich hat bereits 950 Klima-Bündnis-Gemeinden, die sich pro-aktiv für Klima-Schutz, Klima-Gerechtigkeit und Klima-Anpassung engagieren und dafür gezielte Unterstützung von der Regierung bekommen. In Österreich gibt es freilich 2098 Gemeinden. Der Ort, in dem Sie leben, ist noch nicht klima-aktiv? Ein Vorstoß, am besten gemeinsam mit Nachbarn und FreundInnen, gegenüber BürgermeisterIn und Gemeinderat wäre doch etwas, was Sie tun könnten?
e) Viele Pfarren engagieren sich ebenfalls bewusst im Klima-Bereich. Im Rahmen des letzten kirchlichen Umweltpreises wurden 33 Projekte eingereicht und 9 ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand genau drei Jahre nach der Veröffentlichung der Enzyklika Laudato Sì statt, mit der Papst Franziskus so eindringlich zum Klima-Schutz – in sozialer und ökologischer Verantwortung – aufruft. Könnte sich Ihre Pfarre nicht auch ein zukunftsweisendes Projekt vornehmen?
f) Sie sind eine Frau und arbeiten beruflich im Energie-Bereich? Sie fühlen Bedarf für Unterstützung und neue Ideen? Haben Sie Lust, sich mit anderen Frauen, die die Energie-Wende beschleunigen wollen, zu vernetzen? Da gäbe es z.B. das Globale Frauen-Netzwerk für die Energie-Wende, eine junge in Österreich registrierte internationale Nichtregierungsorganisation.
g) Die Auswirkungen des Klima-Wandels sind heute schon fühlbar, bei uns in Österreich vor allem durch die Veränderungen in langjährigen Wetter-Mustern und extremen Wetter-Ereignissen. In voller Wucht werden die Klima-Wandel-Folgen freilich die nächste Generation treffen. Die Möglichkeiten und Notwendigkeiten eines System-Wandels zu erleben, scheint mir jedenfalls eine sinnvolle Freizeit-Beschäftigung zu sein. Sind Klima-Camps eine Option für Ihre Kinder oder Enkel? Das Datum für das nächste Camp in Wolkersdorf bei Wien steht mit 26. Mai bis 2. Juni 2019 bereits fest.
Das Wissen um die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen System-Änderung haben wir längst. An Möglichkeiten zum Handeln mangelt es nicht.
Autorin

Irene Giner-Reichl
seit 1982 im Höheren Auswärtigen Dienst Österreichs; 2012 – 2017 Botschafterin in Peking; derzeit Botschafterin in Brasilien; Arbeitsschwerpunkte: Nachhaltige Entwicklung und globale Fragen, Entwicklungszusammenarbeit, internationale Kooperation zu Energie und Gender; Autorin von Artikeln und Sachbüchern zu Nachhaltigkeit, Entwicklung und Spiritualität; Ausbildung und Praxis in Begleitung von Personen und Prozessen; zertifizierte Yogalehrerin.