Wir sind derzeit mit einigen komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen konfrontiert wie z.B. Armut, Gesundheitswesen, Klimawandel . Skepsis und Resignation bezüglich effektiver Strategien bzw. nachhaltiger Lösungen machen sich breit. Ein Grund dafür ist, dass die übliche technokratische Vorgangsweise – ein ExpertInnenteam formuliert strategische Pläne und führt ein Projekt mit absehbarem Ergebnis durch – nicht funktioniert.
Komplexe soziale Situationen sind nämlich dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht so einfach verständlich und beherrschbar sind. Ständig werden neue Informationen generiert, von denen die ExpertInnen oft gar nichts wissen und AkteurInnen adaptieren ihr Verhalten auch ständig. Längerfristige Aussagen über das System sind daher nicht möglich – und was man nicht vorhersagen kann, kann man auch nicht planen. Wenn man noch dazu die Wurzeln des Problems nicht kennt, läuft man Gefahr, nur Symptome zu bekämpfen oder oberflächliche „Lösungen“ zu produzieren, die manchmal mehr schaden als nützen. Wie kann man mit diesen Dilemmata umgehen?
Wie funktioniert ein Social Lab?
Dafür braucht es einen anderen Ansatz, der wirkliche soziale Innovationen hervorbringen kann. Das Konzept der Social Labs ist vielversprechend und gibt dafür einige interessante Anleitungen.
- Bring das System in den Raum! Viele unterschiedliche Stakeholder (ExpertInnen, Laien, Betroffene,…) werden zu einem gemeinsamen mehrtägigen Workshop eingeladen.
- Nütze das Wissen und die Kreativität dieser Stakeholder! Meinungsverschiedenheiten sind erwünscht und werden genützt, um in einem Dialogprozess neue Erkenntnisse über die Wurzeln von Problemen und wirksame Interventionen zu gewinnen.
- Experimentiere: entwickle Prototypen und teste sie aus! Ideen werden sehr schnell in konkrete Aktionen umgesetzt und in der Wirklichkeit ausprobiert.
- Betreibe einen kontinuierlichen Lernzyklus! Was ausprobiert wurde, wird reflektiert, daraus eine Theorie gebastelt, dementsprechend eine nächste Aktion gestartet, reflektiert, die Theorie adaptiert, eine neue Aktion gestartet etc.
Erste vielversprechende Erfahrungen
Mit diesem Konzept gelang es zum Beispiel in einem Bundesstaat in Indien, der Problematik der Unterernährung von Kindern wirksam zu begegnen. Fast 30 verschiedene Organisationen entwickelten in einem intensiven 3-monatigen Prozess einige Prototypen und viele Initiativen folgten über einem Zeitraum von 6 Jahren.
Derzeit wird dieses Konzept im vom Institut für Höher Studien (IHS) koordinierten New HoRRIzon-Projekt erprobt, das „responsible research and innovation“ in allen Bereichen des Horizon 2020 Förderprogramms der EU implementieren und damit gesellschaftlich einbetten möchte. Dazu wurden 18 Social Labs gestartet, die in zweitägigen Startworkshops Pilotaktionen entwickelten und 2 Jahre lang je nach gemachten Erfahrung weitere Interventionen durchführen werden.
Die Heterogenität der Gruppen und der lebhafte Austausch und die Ideenfindung wurden als sehr bereichernd erlebt. Allerdings stellte es sich als Herausforderung heraus, nicht in den Projektmodus zu verfallen und nicht viel Zeit in Zielformulierungen und Vorgangsweisen zu investieren, sondern rasch ins Tun zu kommen. Es braucht dazu eine komplett andere Einstellung, nämlich sich auf ein Versuch-und-Irrtum Lernen einzulassen, ein Scheitern als Lernmöglichkeit in Kauf zu nehmen und nicht kurzfristig „DIE Lösung“ finden zu wollen. Das ist ungewohnt, aber vielleicht braucht es genau diesen Zugang zu den großen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Für NGOs könnten Social Labs ein wirksames Instrument sein, um für ein Thema nicht nur zu sensibilisieren, sondern es durch die Partizipation vielfältiger Stakeholder in die Umsetzung zu bringen. Die Politik ist jedenfalls gefragt, solche neue experimentelle – und damit ergebnisoffene – Ansätze zu fördern.
Literatur:
Zaid Hassan: The social labs revolution. A new approach to solving our most complex challenges (2014)
Autor
Markus Hauser
Entwicklungsberater in der ksoe, Social lab Moderator im New HoRRIzon Projekt.