Demokratie im (globalen) Betrieb stärken

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In Betrieben und Institutionen, nicht zuletzt den Universitäten, besteht Demokratiemangel. Soweit der Ausgangsbefund für das Diskussionsforum mit obigen Titel an der Universität Klagenfurt im Dezember 2016. Der Demokratiemangel wird immer wieder in sozialen Bewegungen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und von Seiten der Gewerkschaften zum Thema gemacht. Was dazu aus Betrieben und Institutionen selbst kommen kann war Teil des Austausches.

Kontrasterfahrungen

Oliver Pirker, in der Veranstaltungsankündigung als „Student und Putzmann“ vorgestellt, berichtete von seiner – für ihn persönlich positiv klingenden – Kontrasterfahrung in Sachen Demokratie im Betrieb. Die Verhältnisse im – von der Alpen-Adria-Universität schon früh ausgegliederten – Reinigungsbereich, erlebt er als sehr undemokratisch. Sein Einordnungsversuch: „Erfährt man in einem Bereich die Abwesenheit demokratischer Prozesse, lernt man sie in anderen Bereichen erst wirklich schätzen.“

Die Mehrheit der etwa siebzig teilnehmenden Studierenden erwerbsarbeitet. Außerdem haben sie reichliche Erfahrungen mit Praktika. An die Vertreterin der GPA – Gewerkschaft der Privatangestellten, Verena Franco-Mischitz, gab es zahlreiche Fragen zu arbeitsrechtlichen Basics und konkrete Informationen im Gegenzug. Wie etwa den Rat zu eigenständigen Tätigkeitsaufzeichnungen um im Anlassfall belegen zu können, dass es sich um über ein Praktikum hinausgehende Anforderungen handelte, die entsprechend zu entgelten seien. Die Tendenz zu dieser Art von versuchten Ausbeutungen scheint gerade auch im Bereich der für den Studienabschluss erforderlichen Pflichtpraktika verbreitet zu sein.

Führen diese Erfahrungen nun im Sinne der These der Kontrasterfahrung zu Engagement für demokratische(re) Strukturen? Laut Verena Franco-Mischitz sind nur wenige Studierende Gewerkschaftsmitglied bzw. beteiligen sich konkret an der gewerkschaftlichen Arbeit. Auch die leidenschaftliche Aufforderung von Utta Isop, einer der Lehrveranstaltungsleiterinnen, sich im Rahmen der universitären Gremien für eine Abschaffung der Pflichtpraktika stark zu machen, blieb als unbequemes Ansinnen im Raum hängen, ohne wirklich aufgegriffen zu werden.

Wo Demokratie lernen?

Die Alltagserfahrungen der Studierenden, in ihrer Rolle als Auszubildende an der Universität und in ihrer Rolle als Erwerbstätige und PraktikantInnen, fügen sich gut zur Einsicht der Arbeitsgruppe „Demokratie braucht Bildung“. Diese Gruppe von an emanzipatorischer Bildung interessierten Bildungseinrichtungen, der auch die ksoe angehört, ging in einer Veranstaltungsreihe der Frage nach, wo gesellschaftlich eigentlich Demokratie gelernt werden kann. In Schulen, Fachhochschulen und Universitäten? Als PatientIn, AMS-KundIn, Finanzamts-KundIn? In Kirchen und Religionsgemeinschaften? In Betrieben?

Und dennoch: wie sich im Rahmen des ksoe-Projektes „Das Ende der Hierarchie in der Arbeitswelt?“ zeigte, ermöglichen Organisationsformen abseits der üblichen Unternehmenshierarchien Erfahrungen von Anerkennung und Wirksamkeit; erst recht hat die Mitwirkung an anspruchsvollen Unternehmensentscheidungen das Zeug zur Stärkung von Demokratiefähigkeit und zur Stärkung der Bereitschaft, sich politisch zu engagieren und politische Funktionen zu übernehmen. Wir sprechen von keinen Automatismen, aber von Evidenzen aus Studien der Arbeits- und Organisationspsychologie und den im Projekt untersuchten Praxisfällen.

Räume zu organisieren, in denen das „Begehren nach Demokratie“ geweckt, wachgehalten und Umsetzungen gedacht werden können, ist nicht Schnee von gestern – etwa der 60er/70er Jahre des 20.Jahrhunderts, sondern Zukunftsstoff für die soziale, politische und wirtschaftliche Transformation in der wir stehen.

 

Autorin:

Appel Margit_privat
M. Appel, ksoe

Margit Appel
Politikwissenschafterin und Erwachsenenbildnerin, Mitarbeiterin der ksoe. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Verteilungsfragen, Wirtschaftsweise, Demokratie.

 

Mehr zum Thema:

Arbeitsgruppe Demokratie braucht Bildung

ksoe-Projekt_Das Ende der Hierarchie in der Arbeitswelt?

Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie Universität Innsbruck

Literaturhinweis: Weber, W. G. & Unterrainer, C. (2015). Arbeit in demokratischen Unternehmen: Ihr Potential für eine demokratische Gesellschaft. Internationale Zeitschrift für Sozialpsychologie und Gruppendynamik in Wirtschaft und Gesellschaft, 40(1), 20-39

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